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Wie viel ist genug?

Genügsamkeit bedeutet nicht selbstauferlegte Armut – sie erlaubt dir zu entdecken, wer du wirklich bist

Auf einem Kongress über alternative Wirtschaftsformen saß ich beim Abendessen zufällig neben einem Mann, der den Kurs unserer New Road Map Foundation über das Thema „Die Beziehung zu Geld transformieren und finanzielle Unabhängigkeit erreichen" besucht hatte. Er erzählte von seinen Bemühungen, herauszufinden, was für ihn selbst zum Leben reicht.

Gelegentlich besucht er ein Kloster auf dem Land, um in stiller Zurückgezogenheit zu meditieren. Für die Verpflegung sorgen dort die Mönche. Die vielen Hektar Wald sind von Wanderwegen durchzogen. Es gibt mehrere abgelegene kleine Häuschen mit nur ein oder zwei Stühlen. Jedes Zimmer hat ein Bett, einen Tisch, einen Stuhl, eine Lampe – mehr nicht. Stille und Frieden prägen die Stimmung dieses Ortes.

Bei einem dieser Retreats fragte er sich: „Wenn ich mit dem Wenigen hier zufrieden wäre und ich wüsste, dass jeder in der Welt genug hat, würde mir das ausreichen?" Die Antwort war ein klares „Ja".

Auch wenn sich am Tisch alle mit der Einfachheit dieser Vision identifizieren konnten, diskutierten wir weiter darüber, welche Dinge wir noch hinzufügen würden, um nicht nur unserer spirituellen Natur gerecht zu werden, sondern auch unserer Arbeit und unserem Bedürfnis nach Gemeinschaft: Ein Telefon, bestimmte Bücher, bestimmte Unterlagen, einen zweiten Stuhl für einen Gast – vielleicht einen Computer. Je mehr wir hinzufügten, desto schwieriger wurde es, eine Grenze zu ziehen. Wo hörte Notwendigkeit auf und wo fing Überfluss an?

Da ich oft Vorträge über persönliche Ökonomie halte, komme ich mit vielen Menschen zusammen, die klar sehen, was es im Leben braucht, und sich so dieselbe Frage schon gestellt haben: „Wie viel ist genug für mich?" Viele von ihnen, selbst jene, die die Ungleichheiten und die Verrücktheit unserer Konsumgesellschaft anprangern, haben das Gefühl, dass sie selbst nicht das tun, was sie predigen. Sie bekennen ihre „Luxus-Sünden" in allen erdenklichen Tonlagen – von schafsergeben bis schmerzvoll schuldbewusst.

Durch eigene Erfahrung und durch den Austausch mit den vielen Menschen, die an unserem Kurs teilgenommen haben, sind mir einige Eigenarten aufgefallen, durch die sich die Leben all jener Menschen auszeichnen, denen klar geworden ist, wie viel für sie genug ist.

1. Sie wissen, worum es ihnen geht, was ihre Bestimmung ist. Und es geht ihnen dabei um mehr, als allein ihre Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen. Wünsche sind zahllos. Man braucht nur einen zu erfüllen, und schon tritt der nächste auf den Plan. Wenn ich weiß, worum es geht, kann ich reale Bedürfnisse von Launen oder Vorlieben unterscheiden und meine Aufmerksamkeit nur auf die Dinge lenken, die wirklich meinem Ziel dienlich sind – ganz gleich, ob meine „Mission" darin besteht, Kinder aufzuziehen, zu gärtnern, Geld zu mehren oder Problemlagen bewusst zu machen.

2. Sie gehen verantwortlich mit Geld um. Sie wissen, woher ihr Geld kommt und wofür sie es ausgeben. Aus dieser Art von Genauigkeit und Aufrichtigkeit entsteht eine enorme Klarheit. Wenn du nicht weißt, wie viel du hast, wirst du nie genug kriegen.

3. Sie haben einen inneren Maßstab für Erfüllung. Ihr Gefühl dafür, was „genug" für sie bedeutet, beruht nicht darauf, was andere haben oder nicht haben (mit den Nachbarn mithalten zu können oder so wenig zu haben, wie ein Äthiopier). Es beruht auf der Fähigkeit, in sich hineinspüren zu können und zu sehen, ob etwas wirklich zu meinem Glück beiträgt oder ob es nur mehr Zeug ist, das man aufhebt, versichert, in Schuss hält, dann vergisst – und am Ende auf dem Flohmarkt verkauft.

4. Wie jener Freund, den ich beim Abendessen traf, haben sie ein Verantwortungsgefühl für die Welt, ein Gespür für die sozialen und spirituellen Dimensionen ihres Lebens und ihrer Entscheidungen.

Basierend auf diesen Annahmen, habe ich ein Gelöbnis formuliert, das Menschen helfen kann, Frieden mit dem zu finden, was sie haben und was sie brauchen:

"Ich werde herausfinden, wie viel für mich „genug“ ist, um wirklich erfüllt zu sein, und nur das zu verbrauchen. Ich will mich auch an der Aufgabe beteiligen, zu ermitteln wie viel für jeden ausreichen würde, nicht nur, um zu überleben, sondern um zu gedeihen. Ich will mich daran beteiligen, Wege zu finden, die allen den Zugang hierzu ermöglichen. Durch diese gerechte selbstauferlegte Beschränkung heile ich mein Leben und bin ein Teil der Heilung dieser Welt."

Genügsamkeit ist nicht etwas, was man „erreichen" muss – es ist etwas, das man nur im Prozess eines wahrhaftigen Lebens und eines Lebens in Mitgefühl entdecken kann.

Dieser Artikel stammt von Vicky Robin, er wurde erstmals 1990 in der Zeitschrift "In Context" unter dem Titel How much is enough? veröffentlicht. Vicky Robin ist Co-Autorin des hervorragenden Buches Your Money or Your Life. Übersetzung: Peter Brandenburg und Dirk Henn. Wir danken dem Context Institute für die freundliche Abdruckgenehmigung. Copyright © 1990, 1997 by Context Institute, all rights reserved.