Klimawandel stoppen. Leben ändern.

meist donnerstags

*

Die E-Mail Adresse, die den Newsletter erhalten soll.

Vom Stein zur Wolke

Wolkenbild

Ich hatte vor Kurzem ein Aha-Erlebnis: Ich fühlte mich gestresst wegen all der Dinge, die ich noch erledigen musste (du kennst bestimmt dieses Gefühl). Dieses Gestresstsein dauerte eine ganze Weile, aber dann trat ich einen Schritt zurück und beobachtete meinen Verstand und konnte sehen, dass ich all diese Aufgaben als Dinge sah – wie große Steine, die einen Berg hinunterrollten, genau auf mich zu, und ich musste mit ihnen umgehen, sie heben, woanders hinbewegen, einige von ihnen einzäunen oder in kleine Stücke brechen. Sobald ich mit einem dieser Brocken klargekommen war, rollte auch schon der nächste auf mich zu. Das erinnert verdächtig an Sisyphos.

Kein Wunder, das sich diese Tätigkeiten so schwer, erdrückend und wie eine Last anfühlten. Uch! Aber dann erkannte ich, dass die Aufgaben, die ich zu erledigen hatte, eher Wolken glichen als Dingen. Wolken bestehen aus vielen kleinen dampfartigen Teilen, die aus einer ganzen Reihe von veränderlichen Ursachen für eine gewisse Zeit zusammenkommen, und dann wirbeln sie weiter. Und die Ränder oder Grenzen der Wolke verschwimmen mit anderen Wolken oder dem Himmel selbst. Wolken haben eine gewisse Substanzlosigkeit, eine Flüchtigkeit und Weichheit, sie geben nach.

Nehmen wir das Schreiben einer Email als Beispiel: Es gibt in dem Text viele kleine Teile (die Themen, die du ansprechen willst, und die Worte und Sätze). Der Text ist eingebettet in einen größeren Kontext – deine Beziehung zum Empfänger, der Anlass für das Schreiben der Nachricht –, der die Email (in gewisser Weise) hervorbringt. Und sie entsteht und vergeht. Diese Email, diese Tätigkeit ist mit anderen Tätigkeiten verbunden, sie verschwimmt sozusagen damit. Im Grunde ist die Email eine Art Prozess, ein Ereignis, und weniger ein Ding. Es ist fast so, als wäre sie transparent.

Als ich meine Aufgaben in dieser Weise betrachtete, fühlte ich mich sogleich besser: erleichtert und entspannt. Die Tätigkeiten wurden fließend, wie Strömungen oder Wirbel, in die ich eintrat und die ich, so gut ich konnte, zum Besseren beeinflusste, bevor sie weiterwirbelten und zu etwas anderem wurden. Nicht so schwer und träge; nicht so voller Widerstand, so kontrollierend, nicht so belastend, sondern etwas, in das ich hineinfloss. Dann war es nicht so anstrengend, mich damit auseinanderzusetzen. Es machte Spaß, es war leichter; ich spürte mehr Freiheit, wenn ich mich durch sie hindurchbewegte.

Und nicht nur Aufgaben oder Tätigkeiten sind wie Wolken. In gewisser Weise ist alles eine Wolke. Alles besteht aus Teilen („zusammengesetzt“), alles entsteht aufgrund von Ursachen (nichts hat also eine absolute Selbstexistenz – „ich“ auch nicht), und alles wird schließlich vergehen. Alles in deiner Erfahrung und alles „da draußen“ im Universum ist eine Wolke: Empfindungen, Gedanken, Objekte, Körper, Jobs, Karrieren, Aktivitäten, Beziehungen, Steine, Regentropfen, Planeten, Galaxien, Augenblicke.

Das bedeutet aber nicht, dass Wolken sinnlos sind oder keine Konsequenzen haben. In der Tat, wenn du der Welt so begegnest, fühlst du dich verbundener, mehr Teil der Welt, empfindest mehr Zärtlichkeit für sie und spürst mehr Verantwortung für sie. Du liebst die Wolke!

Beginne darauf zu achten, wie sich alles ständig verändert: Sowohl in deiner inneren Welt der Gedanken und Gefühle als auch in der äußeren Welt der Menschen, Aufgaben und materiellen Dinge. Achte darauf, wenn etwas zu Ende geht oder beginnt. Und auch wenn etwas bestehen bleibt, sei dir bewusst, dass das nur vorübergehend so ist. Dein eigener Körper ist eine Wolke, sich ständig verändernd.

Erkenne auch, dass alles aus Teilen besteht. Auch unsere Reaktionen bestehen beispielsweise aus Teilen (z. B. Körperempfindungen, Emotionen, Sichtweisen, Wünsche), Küchentische haben Teile, Beziehungen haben Teile (z. B. Geschichte, Aspekte in verschiedenen Situationen) und Aufgaben haben Teile.

Achte darauf, wie diese sich verändernden Teile aufgrund verschiedener Ursachen entstehen und vergehen. In Wirklichkeit ist alles ein Wirbel im Fluss der Realität, es entsteht und verändert sich und vergeht, aufgrund von 10.000 Ursachen weiter flussaufwärts.

Versuche, diese Tatsachen intuitiv, emotional und in deinem Körper zu spüren – die Vergänglichkeit, das zusammengesetzte Wesen der Dinge, die gegenseitige Abhängigkeit: die grundlegende Wolkenhaftigkeit von allem – und mache daraus keine Konzepte deines Verstandes.

Dann betrachte eine Tätigkeit oder Situation, die du als belastend empfindest in diesem Licht. Denke an ihre vielen Teile, an einige der Ursachen, die dazu geführt haben, und die inhärente Vergänglichkeit (auch wenn es eine lange, schmerzhafte Vergänglichkeit ist!). Versuche, es mehr als Wolke, statt als Stein zu sehen.

Achte darauf, wie dein Verstand Wolken zu Steinen macht. Um unser Überleben zu sichern, versucht das Gehirn ständig, fließende Prozesse (es ist schwer für Eidechsen, Mäuse und Affen mit so etwas umzugehen) als statische Entitäten erscheinen zu lassen (mit denen man viel besser umgehen kann). Dazu schafft das Gehirn Bezeichnungen, Kategorien und Konzepte – und nimmt an, dass alles ein Ding-für-sich ist, anstatt veränderlicher Schaum auf einer flüchtigen Welle in unserem Ozean des Universums.

Erfreue dich an den Wolken. Entspanne dich. Fließe in die Wolken deiner Aufgaben, Beziehungen und Rollen. Selbst eine Wolke, fließe da hinein und hindurch und darüber hinaus.

Dieser Artikel stammt von Rick Hanson, er wurde erstmals auf seiner Website rickhanson.net unter dem Titel Step into the cloud veröffentlicht. Sein wöchentlicher (englischsprachiger) Newsletter unter dem Titel "Just one thing" (Einfach eine Sache) bietet eine Vielzahl von wertvollen Anregungen. Übersetzung: Mike Kauschke. Wir danken dem Arbor Verlag für die Abdruckgenehmigung.