Cartoon © Renate Alf
Es ist an der Zeit, uns mit einer grundlegenen Wahrheit anzufreunden. Die meisten uns von waren bereits geboren, als die Menschheit den Bogen überspannte und (irgendwann in den 1980ern) damit begann, die Ressourcen der Erde schneller zu verbrauchen, als unser Planet sie aus sich selbst heraus hervorbringen kann. Und viele von uns werden noch immer leben, wenn wir, in der Mitte dieses Jahrhunderts auf dem Weg zu einer erdumspannenden Kultur der Nachhaltigkeit sind.
Natürlich, wir könnten uns als bösartige und kriminell kurzsichtige Generation entpuppen. Wir könnten die Polkappen abschmelzen, den Kongo abholzen, den Amazonas abbrennen, die Tundra in eine Schlammwüste verwandeln, die Ozeane übersäuern, die Hälfte allen Lebens auslöschen und unnötigerweise den Tod von Milliarden unserer menschlichen Schwestern und Brüder bewirken. Aber ich glaube nicht, dass wir das tun werden. Ich denke, dass hinreichend viele von uns Besseres auf Lager haben, tapferer und stärker sind.
Was allerdings auch heißt, dass wir aufhören auf Samtfüßen herumzuschleichen und mit verhaltener Stimme zu sprechen. Unser Ziel ist es, unsere negative Beeinflussung der Erde innerhalb der uns gegebenen Lebensspanne auf Null herunterzufahren. Unser Ziel ist es, ein Leben in vertretbarer Fülle und mit hohe Lebensqualität für alle Bewohner dieses Planeten anzustreben, während wir zugleich unsere CO2-Emissionen, das Ausmaß unserer giftigen Hinterlassenschaften, unseren negativen Einfluss auf Ökosysteme und unseren Ressourcenhunger auf nahezu Nichts reduzieren – alles was darüber hinaus geht, wäre fatal.
Um es noch genauer zu sagen: Jeder ökologische Einfluß der die globale Biokapazität unseres Planeten überschreitet, neigt dazu, die natürlichen Systeme der Erde zu untergraben, die Früchte unserer Ökosysteme und die klimatische Stabilität zu zerstören und so am Ende unsere Nachfahren ihrer Möglichkeiten zu berauben. Und schlimmer noch – beginnen wir doch erst jetzt zu verstehen, dass immer mehr der nicht nachhaltigen intensiven Nutzungen unserer Erde das Risiko bergen, unumkehrbare Kipppunkte zu überschreiten – und tatsächlich scheinen diese Kipppunkte näher zu sein, als wir bislang gedacht haben. Diese Effekte und die Risiken die Ihnen innewohnen sind weitgehend kumulativ, bestärken sich also wechselseitig. Wenn uns all dies einmal bewußt ist, sollte es unser Ziel sein, dafür zu sorgen, dass unser Handeln diese Auswirkungen nicht zeitigt. Unser ökologischer Fußabdruck muss sich im Rahmen der Biokapazität der Erde bewegen. Und vielleicht wird es uns sogar möglich, unseren Planeten zu heilen (indem wir unseren ökologischen Fußabdruck in einen ökologischen Handabdruck verwandeln, so schnell wie möglich).
Eine solche Idee des Nulleinflusses sollte unumstrittene Gültigkeit erlangen. Es entspricht schlichtweg dem gesunden Menschenverstand anzuerkennen, das nicht nachhaltige Praktiken nicht unbegrenzt andauern können. Und wir wissen, dass es noch weitaus dramatischere Folgen hat, wenn wir nicht nachhaltige Praktiken zudem mit nicht erneuerbaren Ressourcen vorantreiben. Zur Zeit wächst das Ausmaß unserer Nicht-Nachhaltigkeit in rasender Geschwindigkeit, mehr und mehr unter Zugriff auf nicht-erneuerbare Ressourcen. Das muß ein Ende haben. All dies ist bekannt und sollte jedem informierten Zeitzeugen selbstverständlich sein.
Was weniger bekannt ist, sogar jenen die über diese Themen eine Menge nachdenken, ist die Tatsache, wie schnell es enden muß. Wann müssen wir das Nullniveau erreicht haben?
Die Antwort spitzt sich mehr und mehr auf <em>"jetzt"</em> zu.
Nehmen Sie nur das Klima: Erst heute berichtete die Washington Post über zwei grössere aktuelle Studien, die beide nahelegen, dass wir die Emissionen unserer Energieerzeugung bereits Mitte dieses Jahrhunderts auf Null herunterbringen müssen.
Ihre Ergebnisse, innerhalb der vergangenen zwei Wochen in zwei unterschiedlichen Zeitschriften veröffentlicht, legen nahe, dass sowohl Industrieländer als auch Entwicklungsländer sich der Nutzung fossiler Brennstoffe bereits Mitte dieses Jahrhunderts entwinden müssen. Nur so läßt sich eine markante Erwärmung der Atmosphäre vermeiden, die eine umumkehrbare Veränderung der Niederschlagsverteilung und das damit verbundene Austrocknen weltweiter Wasserressourcen zur Folge hätte.
Unter Zuhilfenahme fortgeschrittener Computermodelle, die es erlauben, Erwärmungen der Tiefsee und andere komplexe Zusammenhänger des CO2-Kreislaufs einzurechnen, übermitteln uns die Wissenschaftler aus den USA, Kanada und Deutschland eine einfache Botschaft: Die Welt muß die Erhöhung des CO2-Eintrags auf eine Nullniveau bringen, wenn wir verhindern wollen, dass die Temperatur unaufhörlich steigt.
"Die Frage ist, was tun, wenn wir die Erde nicht weiter erwärmen wollen?" fragte Ken Caldeira vom kalifornischen Carnegie-Institut, Co-Autor einer Studie, die in der vergangenen Woche in den Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde. "Die Antwort impliziert einen weitaus radikaleren Wandel unserer Energiesysteme als wir gemeinhin annehmen."
Es ist zu erwarten, dass in den kommenden Jahren weitaus mehr derartige Berichte aus nahezu allen Forschungsfeldern veröffentlicht werden. Die meisten der engagierten Wissenschaftler und Forscher die ich kenne, erwarten, dass wissenschaftlich fundierte Modelle und Diskurse sich allesamt geradeheraus formulierten Annahmen annähern werden, die die Notwendigkeit eines radikalen Wandels unserer Nutzung der Erde in den Mittelpunkt stellen.
Einige Menschen fürchten, dass eine solche Wahrheit zu erzählen zu einem Verlust unserer Glaubwürdigkeit oder zu einem enttäuschten Rückzug vom Handeln führt. Ganz gleich, ob solche Annahmen richtig oder falsch sind: Ich denke, es ist einfach unsere Aufgabe die Wahrheit zu erzählen, Menschen darin zu unterstützen, zuzupacken und ihnen aufzuzeigen, wie unsere Welten sich zum Besseren wandeln können, indem wir gleichzeitig die anstehenden Probleme lösen.
Auf Hilfe aus dem Jenseits zu setzen ist eine recht menschliche Reaktion auf schlechte Nachrichten. Selbst jene unter uns, die nicht an übernatürliche Kräfte glauben, lassen sich zu einer Fürbitte an eine unbekannte übernatürliche Kraft hinreissen, wenn ihnen der Arzt nach der Untersuchung mit ernstem Gesicht gegenübertritt.
Doch das allein reicht nicht. Trotz aller Widrigkeiten sollten wir uns gegenseitig darin ermuntern, unsere Abwehrreaktionen schnellstmöglichst abzulegen, um mit der unumstößlichen Wahrheit Frieden zu machen, dass sich alles wird ändern müssen. Nur so werden wir beherzt den Beschluß fassen können, den Wandel anzugehen.
Wir wären alle besser dran, wenn es schnell passiert. Um so länger wir warten, desto kleiner wird das Fenster sein, das ist klar. Aber es gibt auch meine Menge zu gewinnen wenn wir schnell handeln. Und ich denke der Gewinn einer Zivilisation mit einem ökologischen Fußabdruck gleich Null ist das, worauf wir uns wirklich fokussieren sollten.
Ich selbst glaube nicht, dass es uns durch diesen Wandel schlechter gehen würde. In den meisten Modellbetrachtungen wird die Wirtschaft ein kräftiges Wachstum beibehalten, selbst wenn wir sehr stark auf die Reduktion von Emissionen drängen. Tatsächlich würden viele der Dinge, die zu tun anstehen, sich nicht nur bezahlt machen, sondern vor allem auch die Produktivität erhöhen. (Das trifft übrigens nicht nur für CO2-Emissionen zu, sondern auch für giftige Substanzen, Müllreduktion, Wasserschutz, die Erhaltung der Dienste von Ökosystemen, einen weitreichenderen Zugang zu Bildung und Gesundheitssystem sowie die Umsetzung weiterer Prioritäten nachhaltigen Wirtschaftens.) Aus Sicht des Bruttoinlandsproduktes betrachtet vermag ein schneller Wandel ein Erfolgsmodell zu sein.
Selbstverständlich ist das Bruttoinlandsprodukt nicht alles. Diese Krise zu bewältigen würde uns ungemein helfen, Antworten auf eine ganze Schar von Fragen zu menschlicher Sicherheit, moralischer Zufriedenheit und Lebensqualität zu finden. Wenn wir uns schnell bewegen, würden wir nicht nur der drohenden Katastrophe in der Mitte unseres Jahrhunderts Einhalt gebieten, sondern wir würden eine von Grund auf bessere Welt erbauen. Und das ist viel, viel mehr.
Doch um dort hinzugelangen, müssen wir aufrichtig und ehrlich zu dem Ziel stehen, unseren Einfluss auf Weltklima und Ökosysteme auf Null herabzusetzen. Wir müssen dazu bereit sein, aufzustehen, in der Öffentlichkeit, und laut zu verkünden: Null, jetzt.
Dieser Artikel stammt von Alex Steffen, er wurde erstmals auf der von ihm mitgegründeten ehemaligen Website worldchanging.com veröffentlicht. Übersetzung: Dirk Henn