Briefwelten
Ich habe einen Brief bekommen.
Vor einigen Jahren noch hätte ich wohl kaum darüber geschrieben. Doch mittlerweile ist das etwas Besonderes, etwas Seltenes – und etwas sehr Schönes.
Er ist etwas Wirkliches. Er ist da. So wie das Messer, das neben meinem Frühstücksbrettchen liegt; wie der Schuh, dessen lange Schnürsenkel sich neben der Eingangstür durch den zotteligen Teppich winden; wie die erste Morgenluft, die mir beim Öffnen der Terrassentür entgegenweht; wie der Mondschein, der mich durch das Küchenfenster auf meinem Weg ins Bett begleitet.
Der Brief lässt mich in seiner lebendigen Erfahrbarkeit an meinem immer mehr ausufernden Leben in digitalen Kommunikationswelten zweifeln.
Was tun wir hier? Wie leben wir hier in diesen digitalen Welten? Lassen wir uns einfach von ihnen einnehmen, ohne jede Idee und mit immer schwächerem Gespür für die Welt in der wir leben und in der wir leben wollen?
Briefe schreiben wir mit unseren eigenen Händen, wir falten Sie in Umschläge, beim Lesen halten wir sie in Händen. So gibt mir eigenartigerweise gerade dieser Brief in seiner Erfahrbarkeit eine Orientierung für das Leben in digitalen Welten.
Denn was immer wir hier tun, es macht erst Sinn, wenn es getragen ist von unserer Erfahrung der Welt, so wie sie ist. In ihrer Großartigkeit und Lebendigkeit.
Intimität und Schönheit sind immer schon da, in jedem kleinen Moment. Es liegt an uns, ob wir ihnen begegnen.