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Alle und alles müssen sich ändern

Greta Thunbergs Rede auf der "Brilliant Minds" Konferenz in Stockholm am 13. Juni 2019

Es geht um Gerechtigkeit und die ungleich größere Verantwortung, die wir wohlhabenden Menschen des industrialisierten Westens haben. Das Schlimmste wäre, wenn wir so täten, als ob unser extremer Lebensstil normal wäre. Der Großteil der Weltbevölkerung lebt bereits jetzt innerhalb der planetaren Grenzen. Es ist eine Minderheit, die es nicht tun - und das sind wir. Wir müssen es wagen, unbequem zu sein!

Mein Name ist Greta Thunberg und ich bin ein Klimaaktivist. Um das Jahr 2030 werden wir uns in einer Situation befinden, in der wir wahrscheinlich eine unumkehrbare Kettenreaktion in Gang setzen, die sehr wahrscheinlich zum Ende der Zivilisation führen wird, wie wir sie kennen - jenseits jeder menschlichen Kontrolle.

Es sei denn, dass in diesem Zeitraum dauerhafte und beispiellose Veränderungen in allen Aspekten der industrialisierten Gesellschaft stattgefunden haben – einschliesslich einer Reduktion unserer CO₂-Emissionen von mindestens 50 Prozent. Und bitte berücksichtigen Sie, dass diese Berechnungen auf Erfindungen beruhen, die bislang in dem vorgesehen Umfang noch nicht entwickelt wurden. Des weiteren beinhalten diese wissenschaftlichen Berechnungen nicht die meisten der unvorhersehbaren Kipp-Punkte und Feedback-Schleifen. Auch beinhalten diese Berechnungen nicht durch giftige Luftverschmutzung kaschierte bereits eingeschlossene Wärmemengen. Ebensowenig den Aspekt der Gerechtigkeit – der eine absolute Notwendigkeit darstellt, damit das Pariser Abkommen in einem globalen Maßstab funktionieren kann.

Und diese Berechnungen sind keine Meinungen oder wilde Schätzungen. Diese Projektionen der IPCC werden von wissenschaftlichen Fakten gestützt. Wenn wir also unter der 1,5-Grad-Grenze bleiben wollen, was nach den Gesetzen der Physik noch immer möglich ist, müssen wir nahezu alles verändern.

Wir müssen beginnen, unser Leben innerhalb der planetaren Grenzen auszurichten. Das wird ein drastischer Wandel für Viele sein – doch nicht für die Meisten. Denn der Großteil der Weltbevölkerung lebt bereits heute innerhalb der planetaren Grenzen. Es ist eine Minderheit, die es nicht tun.

Die reichsten 10 Prozent der Weltbevölkerung verursachen ungefähr die Hälfte unserer Emissionen an Treibhausgasen. Die reichsten 1 Prozent emittieren mehr, als die ärmsten 50 Prozent. Und hier geht es nicht darum, Armut zu glorifizieren! Hier geht es um physikalische Gesetze und die verbleibende Menge an Treibhausgasen, die wir gemäß des Pariser Abkommens noch in die Atmosphäre emittieren können.

Es sind nicht die Menschen in Ländern wie Mosambik, Bangladesh oder Kolumbien, die die meiste Verantwortung für diese Krise tragen. Es geht zumeist genau um Menschen wie Sie hier im Publikum – Unternehmer, Personen des öffentlichen Lebens, Politiker, Wirtschaftsbosse. Menschen, die eine Menge Macht haben. Menschen, die enorme Mengen an Zeug konsumieren, die oftmals um die Welt fliegen, zum Teil in Privatjets. Ihre individuellen CO₂-Fussabdrücke entsprechen in einigen Fällen denen ganzer Dörfer. Doch ich denke, das Schlimmste daran ist, dass Sie so tun, als ob dieser extreme Lebensstil normal wäre - denn die Menschen schauen zu Ihnen auf. Ihr seid die Leitbilder, ihr setzt die Standards, die Menschen streben danach, so zu sein wie ihr!

Rund 100 Firmen emittieren ungefähr 71% unserer gesamten CO₂-Emissionen.

Und ja, ich weiß: Wir brauchen einen Systemwechsel, eher als einen individuellen Wandel. Doch es gibt das eine nicht ohne das andere!

Wenn wir die Geschichte betrachten, sehen wir, dass alle großen gesellschaftlichen Veränderungen von Menschen auf der Graswurzelebene begonnen wurden. Kein Systemwechsel greift Raum ohne den Druck großer Gruppen von Individuen.

Und nein, ich gebe dir nicht die Schuld. Du handelst nicht so, weil du dumm bist. Du ruinierst die Biosphäre und die zukünftigen Lebensgrundlagen aller Lebewesen nicht, weil du böse bist. Zumindest hoffe ich das. Ich weiß, dass nahezu jeder von euch einfach uninformiert ist – so wie der Rest der Weltbevölkerung.

Ich weiß, dass ihr hier im Publikum nicht hierher gereist seid, um einem 16-jährigen Mädchen zuzuschauen, das seltsame und unbequeme Dinge sagt.

Aber wisst ihr was? Wir müssen es wagen, unbequem zu sein!

Wir müssen mutig genug sein, Dinge zu sagen und zu tun, die weder unseren Gewinn noch unsere Beliebtheit steigern, denn sonst haben wir nicht die geringste Chance. Wir brauchen unkonventionelle Gedanken und Ideen, anerkennend, dass wir so lange nicht all die Lösungen für die Klimakrise und die ökologische Krise haben, wie wir nicht damit aufhören, bestimmte Dinge zu tun.

Wir müssen akzeptieren, dass Märkte und neue Technologien nicht alles für uns lösen werden. Wir müssen unser gemeinsames Scheitern zugeben. Und dann müssen wir handeln, solange es noch möglich ist.

Bei Treffen wie diesen liebt ihr es, neuen Ideen und Erfindungen von Unternehmern zuzuhören. Doch wenn es um die Klimakrise geht, ist die Zeit für solch neue magische Erfinden lange vorbei.

Obwohl wir ganz sicher jedes Bisschen neuer sauberer Technik willkommen heissen sollten, können wir nicht länger an der Tatsache vorbeischauen, dass wir auch unser Verhalten ändern müssen - und einige von uns mehr als andere.

Das Thema der diesjährigen „Brilliant Mind“ Konferenz ist der „Flexibilitäts-Quotient“. Es ist, wie es die Organisatoren nennen, eine „Symphonie des Denkens des Großen Ganzen“.

Also – hier ist etwas „Denken des Großen Ganzen“ für euch: Wenn du regelmässig rund um die Welt fliegst, Fleisch und Molkereiprodukte isst und einen CO₂-reichen Lebensstil lebst, heisst das, dass du zahllose verbleibende Carbon-Budgets anderer Menschen aufgebraucht hast. CO₂-Budget, die sie und die ihnen folgenden Generationen in ihrem täglichen Leben so notwendig brauchen!

Und als ob das nicht genug wäre: Jene, deren CO₂-Budgets wir stehlen, sind am wenigsten verantwortlich für diese Krise und doch am meisten beeinträchtigt.

Alle und alles müssen sich ändern. Doch je größer dein Wohlstandsplateu, um so größer ist deine Verantwortung. Je größer dein CO₂-Fussabdruck, um so größer deine moralische Verpflichtung.

Um die anstehenden Veränderungen zu bewirken, braucht es Vorbilder und Führungspersönlichkeiten. Menschen wie Sie. Ich bin sicher, dass die meisten von Ihnen, die hier sitzen, den Mut, die Weisheit und den gesunden Menschenverstand haben, einige Schritte zurückzutreten, um das große Bild zu sehen und die notwendigen Entbehrungen auf sich zu nehmen, um zu den Anführern zu werden, die wir so dringend benötigen.

Die Frage ist: Werden Sie das rechtzeitig tun? Die kommenden Generationen zählen auf Sie. Enttäuschen Sie uns nicht. Danke.

 

Greta Thunberg hat diese Rede auf der "Brilliant Minds" Konferenz in Stockholm am 13. Juni 2019 gehalten. Zwei Wochen später haben sich ihre Rede weltweit nur 10.000 Menschen angeschaut. Das sollten wir ändern.

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