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So geht‘s langsam

Du hast es in der Hand

Du hast es in der Hand       Foto © Fotoline/photocase

„Die Natur hat keine Eile, dennoch gelangt sie stets ans Ziel.“
Lao Tse

Wenn ich über Lao Tses Zitat nachdenke, frage ich mich: Kann das wahr sein? Ist es möglich, sich niemals zu eilen und dennoch alles geregelt zu kriegen?

Die Aussage scheint im Gegensatz zu unserer modernen Welt zu stehen, in der alles rasch gehen muss, in der wir versuchen, so viel als möglich in jede Minute des Tages zu packen, in der wir uns, wenn wir nicht geschäftig sind, unproduktiv und faul fühlen.

Tatsächlich messen wir uns oft aneinander, indem wir versuchen zu zeigen, wie beschäftigt wir sind. „Ich habe 1.000 Projekte am Laufen.“ „Oh, wirklich?“ „Ich hab’ 10.000 am Start!“ Der Gewinner ist die Person, die den abgedrehtesten Zeitplan hat, die mit der Energie eines Kolibris von einer Sache zur nächsten hastet – weil das ganz offensichtlich bedeutet, dass er der Erfolgreichste und Wichtigste ist.

Stimmt’s?

Vielleicht nicht. Vielleicht spielen wir das falsche Spiel – wir sind es gewohnt davon auszugehen, dass geschäftiger besser ist. Doch tatsächlich ist die Geschwindigkeit unseres Tuns nicht so wichtig wie das, worauf wir uns in unserem Tun fokussieren.

Vielleicht bewegen wir uns in der falschen Geschwindigkeit. Indem wir andauernd von einem zu anderen hasten, versäumen wir möglicherweise sogar das Leben selbst. Lasst uns von unserer Geschwindigkeits-Besessenheit runterkommen – lasst uns stattdessen verlangsamen, ohne Eile das Leben genießen. Und dennoch alles geregelt kriegen.

Lass uns anschauen, wie das geht.

Ein Wandel der Einstellungen

Der wichtigste Schritt ist die Einsicht, dass das Leben besser ist, wenn du dich in einer langsameren, entspannteren Geschwindigkeit bewegst, anstatt hastig von einem zum anderen zu eilen und zu versuchen, allzuviel in jeden neuen Tag zu packen. Schöpfe stattdessen mehr aus jedem einzelnen Moment.

Ist ein Buch besser, wenn du es mit Hochgeschwindigkeit liest, oder wenn du dir Zeit nimmst und dich in der Lektüre verlierst?
Ist ein Lied besser wenn du reinhörst oder wenn du dir Zeit nimmst, wirklich zuzuhören?
Ist das Essen besser, wenn du es dir reinhaust oder wenn du jeden einzelnen Bissen würdigst und den Geschmack, seinen Geruch, wirklich wahr nimmst?
Ist deine Arbeit besser wenn du versuchst, zehn Dinge zugleich zu tun oder wenn du dich in eine Aufgabe wirklich voll und ganz hineinbegibst?
Ist die Zeit, die du mit einem Freund oder geliebten Menschen verbringst besser, wenn du ein kurzes Treffen vereinbarst, das von E-Mails und SMS unterbrochen wird oder wenn du dich entspannen und dich wirklich auf die Person besinnen kannst?

Das Leben als solches ist besser, wenn du es langsam angehst und dir die Zeit nimmst es zu genießen, jeden einzelnen Moment würdigend. Das ist der einfachste Grund für Verlangsamung.
Also musst du deine Einstellungen ändern (wenn du bislang einem ruhelosen Geist verhaftet bist). Lass dich darauf ein, dass das Leben besser ist, wenn wir es genießen, dass die Arbeit besser ist, wenn wir uns in ihr fokussieren.

Und, ist das nicht einen Versuch wert ist? 
Übe dich in der Disziplin der Langsamkeit und probiere einige der untengenannten Schritte aus.

Aber ich kann es nicht ändern!

Es wird einige unter euch geben, die sehen, dass es nicht schlecht wäre, das Tempo zu verlangsamen ... aber es geht einfach nicht … Dein Job erlaubt dir das nicht, oder du würdest Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, wenn du nicht so viele Projekte bewegen würdest oder dein Leben in der Stadt macht es zu schwierig es langsam anzugehen. Das ist zwar eine schöne Idee, wenn man auf einer tropischen Insel lebt oder draussen auf dem Lande, oder wenn man einen Job hat, der einem erlaubt, den Zeitplan selbst festzulegen … aber in meinem Leben ist das nicht realisierbar.

Ich sage: Unsinn!

Übernehme Verantwortung für dein Leben. Wenn dich deine Arbeit durchs Leben hetzt, dann übernimm das Kommando. Verändere dein Tätigkeitsfeld, verändere die Art in der du arbeitest. Arbeite – wo nötig – mit deinem Chef daran, Veränderungen vorzunehmen. Und wenn es sich als unumgänglich herausstellt, halte danach Ausschau, den Job zu wechseln. Du bist verantwortlich für dein Leben.

Wenn du in einer Stadt lebst, in der alle herumhetzen: Mach dir klar, dass du nicht wie alle anderen sein musst. Du kannst anders sein. Du kannst zu Fuß laufen, anstatt im Feierabendverkehr festzustecken. Du kannst weniger Termine und Meetings vereinbaren. Du kannst an weniger Dingen arbeiten, die jedoch von wirklicher Bedeutung sind. Du kannst weniger an deinem IPhone oder Blackberry hängen und dich für einige Zeit des Tages sogar von der digitalen Welt abnabeln. Nicht deine Umgebung kontrolliert dein Leben – du machst das.
Ich werde dir hier nicht erzählen, wie du Verantwortung für dein Leben übernehmen kannst, aber wenn du die Entscheidung einmal getroffen hast, wird dir das Wie mit der Zeit deutlich.

Vorschläge für ein Leben in langsamerer Geschwindigkeit


Ich kann dir keine Schritt-für-Schritt-Anleitung für ein langsameres Leben liefern, aber es gibt einige Punkte die bedenkenswert sind und die du, wenn sie auf dein Leben anwendbar sind, übernehmen könntest. Einige Punkte erfordern möglicherweise, dass du wesentliche Fragen in deinem Leben angehst, aber sie können auch mit der Zeit, nach und nach, umgesetzt werden.

Tu weniger. Streich deine Aufgabenlisten zusammen, reduziere die Zahl deiner Projekte, reduziere die Anzahl der Dinge, die du dir für heute vorgenommen hast. Nimm dir zwei oder drei wichtige Dinge – oder vielleicht auch einfach nur ein Ding – und arbeite an diesen zuerst. Spar dir kleinere Routineaufgaben für später am Tag auf. Nimm dir Zeit, um dich zu fokussieren.

Weniger Sitzungen. Meetings sind sehr oft Zeitverschwendung. Und sie fressen sich in deinen Tag, zwingen dich, die Dinge, die du wirklich tun solltest, in kleine Zeitfenster zu zwängen und drängen dich zur Eile. Versuche Zeitblöcke einzurichten, die frei von Unterbrechungen sind, so brauchst du nicht von einem Meeting zum anderen zu hasten.

Übe dich im Abschalten. Richte Zeiten ein, in denen du deine elektronischen Geräte ausschaltest, in denen du von den hereinkommenden SMS und E-Mails nichts mehr hörst. 
Zeiten ohne Telefongespräche, in denen du einfach etwas hervorbringst, in denen du einfach Zeit mit jemandem Anders verbringst, einfach ein Buch liest, einen Spaziergang machst oder einfach achtsam isst. Du kannst dich sogar für einen ganzen Tag abnabeln ohne dass dir etwas Schreckliches passiert. Ehrlich!

Gib dir Zeit, bereit zu sein und dorthin zu gelangen. Wenn du andauernd zu Verabredungen oder an andere Orte eilst, an denen du sein mußt, ist das so, weil du in deinem Zeitplan nicht genug Zeit für die Reise und die Vorbereitung vorsiehst. Puffere deinen Zeitplan, um solchen Sachen Zeit geben zu können. Wenn du denkst, dass es 10 Minuten braucht, um für die Arbeit oder ein Treffen bereit zu sein, gebe dir möglicherweise 30 bis 45 Minuten, sodass du dich nicht noch in Eile rasieren oder das Makeup unterwegs auflegen musst. Wenn du denkst, dass du in 10 Minuten dort sein wirst, gebe dir möglicherweise zwei- bis dreimal soviel Zeit, sodass du in einem gemächlichen Tempo dorthin gehen kann und vielleicht bist du dann sogar früh da.

Übe dich darin, es dir im Sitzen und Nichtstun wohlergehen zu lassen. Mir ist aufgefallen, dass Menschen, wenn sie zu warten haben, ungeduldig werden – es ist ihnen unangenehm. Sie wollen ihr Handy oder zumindest eine Zeitschrift, weil herumzustehen und zu warten entweder Zeitverschwendung oder etwas ist, was sie – ohne mit sich selbst beschäftigt zu sein – zu tun nicht gewohnt sind.
Versuche stattdessen, einfach dort zu sitzen, schau herum, sauge deine Umgebung in dich auf. Versuche in der Warteschlange zu stehen und einfach den Menschen um dich herum zuzuschauen und zuzuhören. Das braucht Übung, aber nach einer Zeit wirst du das mit einem Lächeln tun.

Erkenne an, dass es in Ordnung ist, wenn die Dinge nicht erledigt werden. Es gibt immer den nächsten Tag. Und ja, ich weiß, das ist eine frustrierende Haltung für einige von euch, die Faulheit oder Aufschieben oder das Leben ohne feste Termine nicht mögen, aber es eben auch eine Realität. Die Welt wird vermutlich nicht stehen bleiben, wenn du die Aufgaben heute nicht erledigt kriegst. Dein Chef mag verrückt werden, aber die Firma wird nicht zusammenbrechen und das Leben wird unabwendbar weitergehen. Und die Dinge, die erledigt werden müssen, werden es ebenso.

Beginne, das Unwichtige zu entfernen. Wenn du die wichtigen Dinge mit punktgenauer Konzentration tun kannst, ohne Eile, wird es Dinge geben, die dadurch in den Hintergrund gedrängt werden, die nicht getan werden. Und du mußt dich selbst fragen: Wie notwendig sind diese Dinge? Was würde geschehen, wenn ich sie nicht mehr tun würde? Wie kann ich sie eliminieren, delegieren, automatisieren?

Praktiziere Achtsamkeit. Lerne einfach, im jetzigen Moment zu leben, anstatt so viel über die Zukunft oder die Vergangenheit nachzudenken. Wenn du isst, würdige das Essen voll und ganz. Wenn du mit jemandem zusammen bist, sei voll und ganz mit ihm oder ihr. Wenn du läufst, würdige deine Umgebung, ganz gleich wo du bist.

Entledige dich allmählich der Verpflichtungen. Wie haben uns viel zu viele Verpflichtungen auferlegt, deshalb rennen wir so viel herum. Ich meine das nicht nur auf die Arbeit bezogen – Projekte und Besprechungen und Dinge dieser Art. Eltern haben – mit und für ihre Kinder – eine Unzahl an Dingen zu tun, und unsere Kinder verplanen wir oft auch viel zu sehr. Viele von uns haben ein reges Sozialleben, pflegen Ehrenämter oder engagieren sich in sportlichen Aktivitäten. Wir haben Unterricht, Arbeitsgruppen und Hobbies. Aber indem wir versuchen so viel in unsere Leben hineinzupacken mindern wir tatsächlich die Qualität ebenjenen Lebens.
Streiche Verpflichtungen, ganz allmählich – greife dir vier oder fünf wesentliche Aktivitäten heraus und mach dir klar, dass der Rest, obwohl schöne und wichtige Aktivitäten darunter sind, jetzt einfach nicht hineinpasst. Informiere die betroffenen Menschen nach und nach freundlich aber bestimmt, dass du keine Zeit mehr findest, diesen Verpflichtungen weiter nachzukommen.

Probiere diese Vorschläge aus. Das Leben ist ohne rastlose Eile besser.

Und wenn wir auf die flüchtige Natur dieses Lebens schauen: Warum sollten wir nur einen Moment davon verschwenden, weil wir mal wieder kopflos von A nach B hasten?

Erinnere dich des Eingangszitates: Wenn es der Natur gelingt, ohne Eile ans Ziel zu gelangen, kann es dir auch gelingen.

Dieser Artikel stammt von Leo Babauta, er wurde erstmals auf seiner Website zenhabits.net unter dem Titel »How Not to Hurry« veröffentlicht. Sein täglicher (englischsprachiger) Newsletter bietet eine Vielzahl von wertvollen Anregungen. Übersetzung: Dirk Henn.

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