Klimawandel stoppen. Leben ändern.

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Dem Steinbutt mit Demut begegnen

Meeresfreunde

Gaumenfreuden mit Meeresfreunden       Foto © arimoore/flickr.com

Den Weg nachhaltigen Lebens einzuschlagen, ist keinesfalls immer leicht. Anbei der Erfahrungsbericht eines Spitzenkochs, der keine halben Sachen mehr macht. Es wird sehr deutlich, worum es geht. Aber auch, welchen Schwierigkeiten wir uns stellen müssen, wenn wir für das einstehen, das uns wichtig ist.

 
Ich bin Koch, seit gut 10 Jahren.
Ich bin direkt in die Sternegastronomie eingestiegen, habe erkannt, dass Kochen mich erfüllt. Ich machte mir keine großen Gedanken und bin auf der Karierreleiter stetig nach oben gestiegen.

Vor 4 Jahren wurde ich gefragt ob ich die Küchenleitung einer Sterneküche übernehmen möchte. Im Team waren viele der Mitarbeiter sehr unmotiviert. Ich nahm die Aufgabe an und habe zum ersten Mal darüber nachgedacht, wie ich das, was ich als „normal“ ansehe, "meinen" Mitarbeitern beibringen könnte.

Ich fing an, wöchentlich eine Zusammenkunft der gesamten Küchenmannschaft einzuführen. Ich fing an von Respekt zu sprechen – uns selbst, den Kollegen und den Lebensmitteln gegenüber die wir verarbeiten. Ich stellte die Bestellungen um – wenn irgend möglich auf Produkte regionaler Herkunft. Ich verwandelte Käfigeier in Bioeier und H-Milch wurde zu Biomilch.

Ich begann von Glück beim Arbeiten zu sprechen, vom Gesetz der Anziehung und von Teamarbeit. Da gab es Themen wie Dankbarkeit einem großen Steinbutt oder Hummer gegenüber, die Dankbarkeit eines saftigen großen Hirschkalbsrücken der achtsam verarbeitet wird. Ich sprach von Liebe zum Beruf, von der Liebe die ich täglich spüre wenn ich Lebensmittel verarbeite und sie mit größter Sorgfalt und Liebe zum Detail auf den Teller bringe.

Ich koche gut, sehr gut sogar. Doch viel Liebe zum Beruf erfordert auch viel Zeit. Gemüse und Fleisch sorgfältiger zu verarbeiten kostet mehr Zeit als das Zeug lustlos in den Topf zu hauen und auf den Feierabend zu warten.

Ein Teil der Köche wurde unzufrieden, sie verstanden nicht, um was es mir ging. Ein Koch nach dem anderen verließ das Restaurant und kündigte. Ich galt als Freak und Sonderling. Doch immer waren auch Köchinnen oder Köche dabei die meine Sprache sprachen. Das machte mir Mut und Freude.
Ich war nur der Küchenchef dieses Betriebes, doch der Besitzer sprach in der Öffentlichkeit meine Sprache. Intern sah das anders aus. Für Bioeier war kein Geld da, für Motivationssitzungen fehlte ihm das Verständnis – auch Neid und andere menschliche Regungen kamen ins Spiel. Die Gier nach immer mehr Geld und Ansehen war stark.

Durch diese Aufgabe bin ich mir selbst viel näher gekommen. Ich habe gespürt was ich will und mit wem ich zusammenarbeiten will. Nach zwei weiteren Stationen als Koch ist mir das nun richtig klar geworden. Ich kann nicht mehr mit dieser Massenware arbeiten. Wässriges, aufgedunsenes Fleisch das noch nie gelebt hat, Gemüse das noch nie einen Sonnenstrahl oder erdigen Boden gespürt hat, widert mich mittlerweile an. Ich spüre die Energie dieser Lebensmittel – nämlich keine. Das macht mich traurig und ich möchte was daran ändern.

Privat kaufe ich nur Regionales und im Bioladen. Und Waren die fair gehandelt wurden. Habe meinen Strom und Gas längst auf Bio umgestellt. Ich fühle mich viel besser, gesünder und wohler. Ich fühle mich verpflichtet so zu handeln, unserer Welt zuliebe – nicht nur privat, sondern vor allem auch beruflich.

Ich habe meine jetzige Stelle gekündigt weil ich nicht mehr mit Käfigeiern und Eitermilch hantieren will. Es geht mir um energievolles Essen, von A bis Z. Bisher habe ich keine neue Stelle, aber ich bin mir sicher dass sich etwas ergeben wird. Mittlerweile weiss ich, dass es Menschen gibt, die meine Sprache sprechen, die mich verstehen und mit denen ich meine Philosophie in die Welt tragen kann.

Irgendwann muss man doch anfangen und sich entscheiden welchen Weg man einschlägt. Sonst ändert sich doch nie etwas an unserer zerstörerischen Massenproduktion, an der Art der Tierhaltung und an unserem Energieverbrauch.
Ich möchte meinen Teil dazu beitragen und anderen Mut machen. Jetzt!

Ben Kindler lebt und arbeitet in Freiburg im Breisgau. Seit Erscheinen dieses Artikels im Jahr 2009 ist viel passiert und Ben ist in Freiburg zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden und trägt seine großartigen kulinarischen Fähigkeiten in seiner Kochschule in die Welt – Ihr findet sie unter bensels.de.