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Am besten keine Ziele

Die Idee konkreter, erreichbarer Ziele scheint in unserer Kultur tief verwurzelt zu sein. Ich weiß, ich habe viele Jahre zielorientiert gelebt, und tatsächlich geht es in einem großen Teil meiner Texte darum, wie man sich Ziele setzen kann und wie man sie erreicht.

Nun jedoch lebe ich zumeist ohne Ziele. Es ist absolut befreiend und im Gegensatz zu dem, was man dir vielleicht beigebracht hat, heißt das überhaupt nicht, dass du aufhörst, etwas zu leisten oder zu erreichen.

Es bedeutet, dass du damit aufhörst, dich von Zielen begrenzen zu lassen.

Nimm zum Beispiel diesen weit verbreiteten Glaubenssatz: "Du kommst nie irgendwo an, wenn dir nicht klar ist, wohin du gehst." Das scheint sehr dem gesunden Menschenverstand zu entsprechen, und doch ist es offensichtlich nicht wahr – es wird sichtbar, wenn du für einen Moment innehältst, um darüber nachzudenken.
Mach ein einfaches Experiment: Geh nach draußen, laufe in eine beliebige Richtung und nimm dir die Freiheit, willkürlich die Richtung zu ändern. Nach 20 Minuten oder einer Stunde ... wirst du irgendwo sein! Du hast bloß nicht gewusst, dass du dort landen würdest.

Und das ist der wunde Punkt: Du musst dich geistig öffnen, um Orte erreichen zu können, an die zu gelangen du dir bislang nicht einmal vorstellen konntest. Wenn du ohne Ziele lebst, vermagst du Neuland zu betreten. Du wirst einige unerwartete Dinge lernen. Am Ende findest du dich an erstaunlichen Orten wieder. Das ist die Schönheit dieser Herangehensweise, aber es ist auch eine schwierige Wandlung.

Heute lebe ich zumeist ohne Ziele. Ab und zu lege ich mich auf ein Ziel fest, doch dann lasse ich wieder davon ab. Ohne Ziele zu leben war nie wirklich ein Ziel von mir ... es ist einfach etwas, was ich mehr und mehr zu genießen lerne – es ist unglaublich befreiend und passt gut zu meiner Lebensweise, in der ich einfach meinem Herzen folge.

Das Problem mit Zielen

Früher habe ich mir für das Jahr ein bis drei Ziele gesetzt – und Unterziele für jeden Monat. Dann habe ich herausgefunden, welche Schritte das für jeden Tag und jede Woche bedeutete. Dann habe ich versucht, am jeweiligen Tag mich auf genau diese Schritte zu konzentrieren.

Leider läßt sich das ganz und gar nicht so reibungslos umsetzen. Jeder weiß das. Du weißt, dass du dich an diesem Schritt abarbeiten musst, und du versuchst das Endziel im Blick zu behalten, um dich zu motivieren. Doch dann quält dich dieser Schritt, und deshalb schiebst du ihn auf die lange Bank. Du arbeitest an etwas anderem, checkst deine E-Mails, schaust mal kurz bei Facebook rein oder du hängst rum.
Und so werden deine wöchentlichen und monatlichen Ziele aufgeschoben oder umgangen und du verlierst den Mut, weil du keine Disziplin hast. Die Ziele sind unterdessen kaum mehr zu erreichen. Was jetzt? Nun, du überarbeitest deine Ziele und formulierst sie neu. Du setzt neue Teilziele und änderst Handlungspläne. Du weißt, wohin es geht, weil du Ziele hast!

Natürlich kommst du am Ende nicht wirklich da an. Manchmal erreichst du ein Ziel und dann fühlst du dich fantastisch. Aber meistens erreichst du sie nicht und machst dich selbst dafür verantwortlich.

Hier ist das Geheimnis: Es liegt nicht an dir, es liegt am System! Ziele, systematisch eingesetzt, sind zum Scheitern verurteilt.

Selbst wenn du alles genau richtig machst, ist die Vorgehensweise nicht ideal. Warum? Ganz einfach: Du bist in deinem Handeln extrem begrenzt. Wenn dir nicht danach ist, etwas zu tun, musst du dich dazu zwingen. Dein Weg ist festgschrieben, so hast du keinen Spielraum, Neuland zu erforschen. Du musst dem Plan folgen, auch wenn du dich zu etwas anderem hingezogen fühlst.

Manche zielorientierte Systeme sind flexibler, doch nichts ist so flexibel, wie keine Ziele zu haben.

Wie es funktioniert

Wie sieht nun ein Leben ohne Ziele aus? Tatsächlich unterscheidet es sich von einem Leben mit Zielen recht deutlich.

Du setzt dir weder ein Ziel für das Jahr, noch für den Monat, die Woche oder den Tag. Du kümmerst dich nicht darum, ein Ziel zu verfolgen oder Schritte umzusetzen. Du brauchst nicht einmal eine To-Do-Liste, obwohl es auch nicht schadet, sich als Erinnerungsstütze – wenn man mag – Notizen zu machen.

Und dann? Wie geht es weiter? Liegst du den ganzen Tag auf der Couch rum, schläfst, schaust fernsehen und isst Kekse? Nein, du handelst einfach. Du suchst dir etwas, was du leidenschaftlich gern tust, und machst es. Nur weil du keine Ziele hast, heißt das nicht, dass du nichts tust – du kannst kreativ sein, du kannst etwas herstellen, du kannst deiner Leidenschaft folgen.

Und in der Praxis ist das eine wunderbare Sache: du wachst auf und tust von da an das, was du leidenschaftlich gern tust. Für mich ist das sehr oft Bloggen, aber es kann auch sein, dass ich einen Roman, ein E-Book oder mein nächstes Buch schreibe oder einen Kurs ausarbeite, um anderen bei etwas zu helfen, oder Kontakt mit besonderen Menschen aufnehme oder Zeit mit meiner Frau verbringe oder mit meinen Kindern spiele. Es gibt keine Grenzen. Nichts ist ausgeschlossen, denn ich bin frei.

Am Ende habe ich normalerweise mehr erreicht, als es mir mit Zielen möglich wäre, da ich immer etwas tue, was mich begeistert. Aber es geht überhaupt nicht darum, ob ich etwas leiste oder nicht: Alles, was zählt, ist, dass ich das tue, was ich liebe, ganz und gar.

So gelange ich an Orte, die wunderbar, überraschend und großartig sind. Ich wusste nur nicht, dass ich dorthin gelangen würde, als ich anfing.


Weder mit der Vergangenheit, noch mit der Zukunft habe ich etwas zu tun. Ich lebe jetzt.
Ralph Waldo Emerson


Dieser Artikel stammt von Leo Babauta, er wurde erstmals auf seiner Website zenhabits.net unter dem Titel the best goal is no goal veröffentlicht. Sein täglicher (englischsprachiger) Newsletter bietet eine Vielzahl von wertvollen Anregungen. Übersetzung: Peter Brandenburg, Lektorat: Dirk Henn.